Gemeinsam getrennt erziehen – Beratungsangebote für Väter in Trennungssituationen
Erstellt von Hans-Georg Nelles am Mittwoch 24. Mai 2023
Bericht vom Werkstattgespräch am 17. Mai 2023
Bei diesem Online-Werkstattgespräch hat Marc Schulte vom Papaladen in Berlin über die Erfahrungen mit dem von ihm und Eberhard Schäfer entwickelten Ratgebers ‚Stark und verantwortlich – für Väter nach Trennungen‘ und dem damit verbundenen Gruppenprogramm berichtet.
Die Beratung von Vätern in Trennungssituationen ist ein Baustein eines umfangreichen Beratungsangebots das auch Paarberatung, psychosoziale, Elterngeld- und Strategie-Beratung umfasst. Die Väter die in einer Trennungssituation ins Väterzentrum kommen, sind häufig (knapp 34 %) in einer (hoch) strittigen Situation und erleben ihre „Trennung Hoch 4“ von Partnerin, Kind(ern), sozialem Umfeld und Wohnung als fundamentale Lebenskrise und ihre Situation als Einzelschicksal. Sie sehen im Rechtsweg häufig den einzigen (Aus-) Weg und fühlen sich ohnmächtig, verzweifelt und wütend. Sie sehen sich einem professionellen Frauennetzwerk gegenüber, erwarten eine Beratung auf Augenhöhe und Gerechtigkeit.
Die von den Vätern vermutete „Fürsprecherrolle“ ermöglicht in der Regel eine schnelle und positive Beziehungsaufnahme, die auch dadurch gestützt wird, dass das Väterzentrum keine „klassische“ Beratungsstelle ist. Die Beratungshaltung ist dabei durch folgende Grundsätze geprägt:
- Annahme des Anliegens
- Wertschätzung des Engagements des Vaters und allem, was er in Bezug auf die Kinder tut und getan hat
- Reflexion und Rückmeldung zu problematischen Kommunikationsmustern
- Perspektivwechsel (raus aus der Ohnmachts- und Opferrolle hin zum Akteur – „Was geht gut, wie könnte es noch besser gehen?“
- Trennung von Paarebene und Elternebene
- Blick auf das Kind, seine Bedürfnisse, Potenziale….
- Wertschätzung gegenüber der Mutter (nicht jede Handlung der Mutter ist gegen den Vater gerichtet)
- Keine Festlegung auf ein „Ideal“ Familienmodell nach Trennung
- Sprachsensibilität z.B. statt „Umgang“ – „Betreuungszeit“ – nicht „Kindesmutter“ sondern „Mutter der Kinder“
Das Gruppenprogramm „Stark und Verantwortlich“ für Väter in Trennungssituationen
… wird seit 2009 kontinuierlich weiterentwickelt. Es gibt zwei Durchgänge pro Jahr mit bislang rund 300 Teilnehmern. Es findet an 10 Abenden jeweils drei Stunden mit 10 Teilnehmern statt. Grundlage ist die „kollegiale Beratung“ – denn die Väter sind die Experten ihrer Situation. Dazu kommen Expertenabende mit Vertreter:innen des Jugendamts oder des Familiengerichts und Themenabende.
Die Evaluation des Programms hat ergeben, dass 100% der Teilnehmenden den Kurs weiterempfehlen würden, 76 % besser mit der Gesamtsituation umgehen können und 25 % bessere Betreuungsvereinbarungen mit der Mutter getroffen haben.
In der sich anschließenden Diskussion ging es zunächst darum, welche Angebote es für Väter in einer Trennungssituation es in NRW gibt. Mehrere, der selbst in der Beratung tätigen Teilnehmer empfahlen das Programm ‚Kinder im Blick‘, dass in vielen Städten angeboten wird.
Des Weiteren ging es um die Frage, wie Berater:innen in den ‚klassischen‘ Beratungseinrichtungen für die Anliegen von Vätern ‚sensibilisiert‘ werden können und der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung formulierte Anspruch, „in der Beratung nach Trennung und Scheidung insbesondere das Wechselmodell in den Mittelpunkt zu stellen“ umgesetzt werden kann, zumal dies in die Hoheit der Länder fällt.
Die LAG Väterarbeit wird dies unter anderem bei ihren nächsten Gesprächen mit Landespolitiker:innen thematisieren.
Take aways
Leitlinien für erfolgreiche gemeinsame Elternschaft für die Familie nach der Familie
- Die Gefühle gegen den Expartner sind weniger wichtig als das aktuelle Verhalten ihm gegenüber. Die Zurückstellung von negativen Gefühlen entspricht definitiv dem Kindeswohl.
- Das Bedürfnis nach Privatsphäre ist zu respektieren. Nur Informationen über das Kind müssen ausgetauscht werden.
- Fragen von Unterhalt und Umgang sind getrennt zu diskutieren.
- Die Zeiträume mit dem Kind, die für jeden Elternteil vorgesehen sind „heilig“.
- Jedes Elternteil hat das Recht seinen eigenen Elternstil zu entwickeln. Solange DADURCH kein Schaden für das Kind entsteht, sollt dies akzeptiert werden.
- Die Angebote , die der jeweils andere dem Kind macht, eröffnen einen erweiterten Erfahrungsraum. Jedes Elternteil hat seine besonderen Stärken und kann sie dem Kind zum nutzen vermitteln.
- Diese Art von Beziehungsgestaltung erscheint für sich trennende Eltern möglicherweise unangenehm und unbequem. Ist es einem Elternteil möglich, diese Haltung durchzustehen, wird möglicherweise auch der Expartner damit beginnen sich ähnlich konstruktiv zu verhalten.
Die Beratungsangebote von ‚Väter in Köln‘